geb. 20.4.1846 in Wien
Geschrieben 1896
Mein Vater, Andreas Frank, war bürgerlicher Seidenfärber in Wien, was auch dessen Vater, Bartholomäus, mein Großvater, war. Letzterer war ungefähr im Jahre 1808 oder 1810 von Clesc (corr: Cloz !) in Welschtirol als Seidenfärbergeselle nach Wien gekommen und hatte durch Fleiß und Umsicht zu einem für damalige Zeiten ganz ansehnlichen Geschäfte gebracht. Er besaß das Haus Nr. 92 in der damaligen unteren Annagasse in Gumpendorf, heute Mollardgasse, Mariahilf.
Seine Frau Theresia, eine Wienerin, geborene Heinz, stand ihm würdig zur Seite. Sie hatten 23 Kinder, wovon mein Vater der zweitgeborene Sohn war. Sein älterer Bruder ist vor meines Vaters Geburt gestorben. Die Familie Bartholomäus Frank war am ganzen Grund geachtet und beliebt wegen ihres Kindersinnes und ihres mustergültigen Lebenswandels.
Meine Mutter war eine Kleinhäuslertochter von Absdorf, eine geborene Bohr (Anm.Pohr), ihre Eltern waren fromme, fleißige Hauers- und Ackersleute. Sie hatten einige Äcker und Weingärten, die sie musterhaft bewirtschafteten. Meine Mutter hatte noch einen Bruder Mathias und eine Schwester Klara, die beide jünger waren als sie.
Der Bruder diente beinahe 14 Jahre bei den Deutschmeistern und machte 1848/49 die Revolution in Ungarn mit. Er war Tambour bei der Musik. Als er vom Militär wieder heimkam, betrieb er sein gelerntes Gewerbe, die Schalweberei, welche damals in Flor war (1853), später heiratete er, bekam aber bald ein Herzleiden und starb ohne Kinder.
Er war ein aufgeweckter, lustiger Mann, nur mir ging er ein bißchen im Wege um, weil er uns Buben zu viel nachsah, wenn wir Allotria trieben. Ich hatte ihn aber doch recht gern. Er ruhe sanft.
Die Schwester erlernte von meiner Mutter die Näherei und Modisterei, welche sie durch 4 Jahre im Hause ihres Vaters betrieben hatte und betrieb das Geschäftchen weiter.
Ich hatte das Glück, alle meine Großeltern persönlich gekannt zu haben und kann mich heute (1896) noch ganz gut an meinen Wiener Großvater erinnern, obwohl ich erst 4 Jahre alt war, als er starb.
Im Jahre 1950 starb unser Frank-Großvater und nach seinem Tode führte mein Vater das Geschäft einige Jahre auf Rechnung seiner Mutter fort. Da jedoch meine Geschwister, besonders der Mann meiner Schwester Maria, ein Seidenzeugfabrikant namens Jakob dalla Bonna auf Auszahlung des Erbteiles nach ihrem Vater drangen, so wurde das Haus samt Geschäft an einen gewissen Josef Besel um 20.000 fl verkauft und unser Vater, welcher schon früher, als sein Vater noch lebte, bürgerlicher Seidenfärbermeister war und wegen Nichtausübung die kleinste Steuer zahlte, machte sich selbständig. Was er an Einrichtung brauchte, fand sich aus der überzähligen Einrichtung des väterlichen Geschäftes, denn da waren kupferne Kessel, Wannen, Eimer etc, in großer Menge, die er seiner Mutter abkaufte.
Meine Eltern mieteten eine Wohnung am Hundsthurm, Amtshaus Nr.137, wo sie sich einrichteten und das Geschäft betrieben. Das hiezu nötige Geld hatten sie aus den Ersparnissen des Vaters und dessen Erbteil von seinem Vater. Sie hatten die alten Kunden. Einige Arbeiter nahmen sie auch noch mit über, darunter einen gewissen Johann, seinen Familiennamen weiß ich nicht, welcher über 20 Jahre im Hause war, und den Thomas-Vetter, welcher Großvaters Bruder und seit 1830 im Hause war.
Ich war damals sieben Jahre alt und ging nach Gumpendorf in die dortige Pfarrschule, wo der Sohn des Lehrers meines Vaters mein Lehrer war. Er hieß Franz Finkes und war ein braver Mann. Ihm und meinem Hauslehrer Franz Kresse verdanke ich viel. Ehre seinem Andenken !
Im Alter von 3 Jahren ging ich eine Zeitlang in eine Spielschule in Margarethen. Da fiel ich einmal mit dem Hinterkopf auf einen Stein und bekam eine böse Gehirnkrankheit, die Gehirnhöhlenwassersucht. Da standen meine Eltern viel aus mit mir. Die Doktoren Born und Fuchs sagten: „Sind Sie froh, wenn er Ihnen stirbt. Ich (Dr.Born) habe nur zwei mit dieser Krankheit aufgebracht, aber der eine ist blöde, der andere lahm, es bleibt jedem was.“ Der Hausarzt, Herr Dr. Weckar sagte „Solange Leib und Selle beisammen sind, darf man nicht verzagen.“, und nahm mich energisch in die Kur, und Gottlob, ich wurde ganz gesund. Ich war jedoch eine Zeit nach überstandener Krankheit noch taub und stumm und konnte nicht gehen, was erst allmählich sich wieder verlor.
Im Jahre 1850 bekam ich ein Schwesterlein, die Reserl, das ich gleich außerordentlich liebte und das mir innig zugeneigt war. Wir waren später unzertrennliche Spielgenossen. Sie trieb ihre Anhänglichkeit an mich so weit, daß sie sich lieber für mich strafen ließ, als daß sie mich verraten hätte, wenn ich etwas angestellt hatte, obwohl ich sie manchmal auch prügelte, wenn wir in Streit gerieten, was doch auch vorkam.
Unsere schönste Zeit waren die Ferien im Herbst, wo wir meistens zu den Großeltern nach Absdorf durften. Das war eine lustige, selige Zeit ! Großvater und Großmutter waren so lieb, Großmutter kochte so gut ! Wie schmeckten da die schwarzen Vorschußknödel, das Sauerkraut, der Sterz von Buttermilch, alles auf dem offenen Herdfeuer bereitet !
Die Klara-Tante kümmerte sich auch um unser Wohl, aber auch darum, daß wir in unserem Übermut nicht das ganze Haus auf den Kopf stellten, und so verging uns die Zeit vielzu schnell, bis wir wieder nach Hause mußten. Mit der Zeit wurden uns mehr Geschwister. Einige starben, aber die Fanny, der Rudolf und Andreas blieben bei uns.
Obwohl ich ein schlimmer Junge war und meinen Eltern durch meine Streiche of viel Kummer und Verdruß bereitete, der Hauslehrer könnte auch viel davon erzählen, lernte ich in der Schule doch sehr gut, sodaß ich, noch nicht ganz zehn Jahre alt, schon aus der damaligen Normalschule mit Vorzugszeugnis entlassen und in die Gumpendorfer Unterrealschule aufgenommen wurde. Da ging es auch ganz gut; im zweiten Jahrgang jedoch wurde ich kränklich, bekam schließlich gar eine längere Krankheit, mußte viele Stunden versäumen und konnte daher nicht mehr nachkommen.
Mittlerweile hatte sich in unserem Hause allerlei zugetragen, was die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse unserer Eltern veränderte. Unsere Großmutter in Wien hatte in ihrer Vertrauensseligkeit ihr ganzes Vermögen samt dem der übrigen Geschwister meines Vaters ihrem Schwiegersohn Dallabona geliehen. Die führten ein großes Haus. Die Großmutter war bei ihnen. Nach und nach ging ihnen aber der Faden aus, und schließlich kam es zum Zusammenbruch. Unser leichtsinniger Herr Onkel hatt nicht nur sein, sondern auch das Vermögen seiner Schwiegermutter und deren Kinder vergeudet, und meinen Vater auch mit einer beträchtlichen Summe, die er ihm geschäftlich schuldete, ins Mitleiden gebracht.
Die Großmutter kam nun zu uns, wo sie mit Onkel Johann, Karl und der Lisi-Tante eine Wohnung im Hause hatte. Die Lisi-Tante, die geistig nicht normal war, kam durch Verwendung eines Freundes in die Versorgung, wo sie auch starb. Um diese Zeit war es auch, da unsere gute Mutter die Blattern bekam. Lange Zeit schwebte sie zwischen Leben und Tod. Im Jahre 1854, als in Wien die Cholera so stark auftrat, bekamen die Eltern sie gleichzeitig an einem Tage, wurden jedoch durch Dr. Baßler, den damals berühmten Choleraarzt gerettet.
Kaum war die Blatternkrankheit überstanden, fallierten zwei größere Fabrikanten, wobei unser Vater viel Geld verlor. Durch den Einfluß der neuen Handels- und Zollverträge gestalteten sich die Verhältnisse der Seidenmanufaktur immer schwieriger und es kam eine förmliche Krisis über dieses und die damit zusammenhängenden Gewerbe. Es hätte nun, um sich zu retten und zu erhalten, eines energischen und fest auftretenden Charakters bedurft. Leider hatte unser guter, braver, lieber Vater diesen nicht. Er hatte von seinen Eltern nur arbeiten gelernt, er hatte auch tüchtige Schulbildung und war sehr verständig, aber nicht selbständig, nicht fähig, jemanden etwas abzuschlagen oder eine Sache energisch durchzuführen. Er fühlte sich stets gegen andere so gewissermaßen minderwertig. So kam es, daß trotz der besten Arbeiten die Kunden durch andere maulreißende Konkurrenz weggeschnappt wurden, und das Geschäft immer schlechter ging.
Es wurden nun die Schönfärberei und Öldruckerei eingerichtet und betrieben. Ich blieb von der Schule zu Hause und half im Geschäfte fleißig mit. Wir arbeiteten und arbeiteten – und konnten uns nicht erhalten. Nun siedelten wir, um Zins zu ersparen und wegen des besseren Postens auf die Wieden, Kl. Neugasse zum Weißen Berg, über. In der Stadt hatten wir im „Bazar“ ein Geschäftslokal, wir strengten uns an, was wir konnten, es ging ein wenig vorwärts, da – eines Tages – erhielten wir vom Hausherrn die Kündigung. Hier bekamen wir am 15.4.1860 auch noch einen Bruder, den Mathias, und zwar gerade an dem Tage, an dem ich aufgedungen wurde. Ein Jahr vorher, 18.9.1859, war unser Onkel Mathias gestorben, dessen Frau im Stadtgeschäft war.
Nun mußten wir wieder ausziehen, konnten jedoch keine Wohnung finden, wo wir zugleich die Werkstätte im Hause haben konnten, denn einen Färber hat niemand gern. So siedelten wir denn in die Josefigasse über. Das Geschäft ging nicht wie früher. Die Färberei war in Fünfhaus, ich druckte zu Hause. Gearbeitet wurde von uns allen bis zur Grenze des Möglichen, es ging nicht. Die Tante im Stadtgeschäft sah auf sich und hatte mehr Nutzen vom Geschäft als wir. Als meine Eltern daraufkamen, konnten sie sie nicht entlassen, weil sie es mit dem Hausmeister ausgekartet hatte, daß wir in diesem Falle die Aufsage erhielten. Blieb nichts übrig, als ihr das Geschäft zu verkaufen. Sie kaufte es und in kurzer Zeit hatte sie einen anderen Färber, Putzer usw.
In der neuen Wohnung wurde unser jüngster Bruder Hiasl recht krank. Ich und die Mutter standen bei seinem Bettchen, er war beinahe ein Jahr alt, und sahen ihm sterben zu, und die Mutter ging in die Küche, machte Wasser warm, um ihn zu waschen. Als sie wieder zu ihm kam, war der Vater da und betrachtete ihn und sagte: „ Warte, vielleicht wird er wieder lebendig! Mir scheint, ein bißchen rührt er sich schon.“ Und richtig wurde er wieder lebendig, er kam wieder zu sich und wurde von diesem Augenblick besser und später ganz gesund.
Mittlerweile hatte Onkel Karl eine Fiakertochter – Therese Walz – geheiratet, und die Großmutter und Onkel Jean waren aus dem Hause gezogen.
Aber unseres Bleibens war nicht hier. Wir fanden wieder eine Wohnung in der Kl. Neugasse, weiter oben, wo wir die Färberei im Hause haben konnten, und zogen hin. Der Posten war jedoch nicht gut. Ich bekam den Typhus, war ¾ Jahr arbeitsunfähig, meine Geschwister Resi, Rudolf, Andreas, Mathias alle klein, es waren traurige Zeiten.
Da wurde das Haus verkauft, der neue Hausherr, ein Gelbgießer, baute. Vor unserem Geschäft standen ½ Jahr lang Gerüste und Ziegelhaufen. Es konnte niemand hinein. Schließlich konnte der Zins nicht mehr aufgebracht werden. Da führte der Vater und ich einen Teil der Einrichtung fort und verkauften sie, um Geld für den Zins zu erhalten. Dennoch kam die Kündigung. Das Geschäft lag ganz darnieder, ich hatte nichts mehr zu tun. So faßte ich den Entschluß, vom Geschäft wegzugehen. Ich ging zu dem Gelbgießer in die Lehre. Das war im Jahre 1862 zu Osteren. Meine Eltern zogen in eine Wohnung – Wieden Josefigasse – um den Zins zahlen zu können, mußten wieder Betten, Einrichtungsstücke usw. Verkauft werden. Aber wovon mit den fünf Kindern leben ?
Das Geschäft war so viel wie nichts, der Vater suchte Arbeit und fand keine, die Kinder baten um Brot, es war keines da. Keine Aussicht zum Besserwerden, es war eine schreckliche Lage. Ich war noch zu jung, konnte nicht helfen und weinte oft halbe Näüchte lang, wenn meine Lehrkameraden schliefen. Meine Eltern sahen ein, daß sie auch hier nicht bleiben konnten und entschlossen sich, auf einem anderen Grund eine Wohnung zu nehmen, wo ein besserer Posten ist.
Zu diesem Zweck ging meine Mutter einmal in die Leopoldstadt. Sie fand aber trotz eifrigsten Suchens nichts und machte sich ganz niedergeschlagen und betrübt auf den Heimweg. Auf dem Stefansplatze gelangt, ging sie in die Kirche, kniete sich bei der sogenannten Dienstboten-Muttergottes hin und betete inbrünstig, sie möge ihr beistehen in ihrem Elend und einen Weg zeigen, wo sie mit ihren Kindern doch Brot verdienen könne, und wenn es tief im Walde wäre. Da – als sie so betete – wurde sie beruhigt und hatte das Gefühl, als ob ihr geholfen würde, und ging in Gottes Namen nach Hause. Sie sagte dem Vater, der gerade druckte, daß ihr Gang erfolgreich gewesen sei, und wollte sich gerade umkleiden, als eine bekannte Frau eintrat. Des war die Frau eines früheren Färbermeisters in Wien mit Namen Wilhelm Ochs. Sie hatte jetzt in Purkersdorf in Wien ein kleines Kurzwarengeschäft, das ihnen seine Eltern, Kurzwarengrossisten in Margarethen, Wien, eingerichtet hatten. Sie waren uns schon längere Zeit einen Betrag für gelieferte Färbereien schuldig.
Nach gegenseitiger Begrüßung machte sie im Namen ihres Mannes meinen Eltern den Vorschlag, mit Geschäften zu tauschen, wobei gleich ihr schuldiger Betrag getilgt würde. Noch am gleichen Tage fuhren meine Eltern mit ihr nach Purkersdorf und der Handel wurde geschlossen. Herrn Ochs war weniger um das Geschäft als darum zu tun, schnell eine Wohnung in der Nähe seiner Eltern zu bekommen. Noch am Samstag derselben Woche zogen meine Eltern in Gotte Namen hinaus. Sonntag war Umgang. Es war das zu Fronleichnam 1862. Meine Geschwister waren damals alt: Theresia 12 J., Franziska 9 Jahre, Rudolf 7 Jahre, Andreas 4 Jahre und Mathias 2 Jahre. Ich war damals 16 Jahre alt und war in Wien in meiner Lehre bei Herrn Forst geblieben, wo es mir gut ging. Die Familie hatte die Großmutter, die in der Mollardgasse eine Wohnung hatte, zu sich genommen.
Obwohl das eingetauschte Kurzwarengeschäft auch nicht viel wert war, so genügte es dennoch, um von dem vorhandenen Warenvorrat eine Zeitlang leben zu können und hie und da einiges nachzuschaffen. Aber für die Dauer konnte es nicht so fort gehen, und es mußte eine bessere Erwerbsquelle umgesehen werden. Was fiel meinen Eltern anderes ein, als wieder zu dieser früheren Färberei zurückzugreifen ? Einiges Holzgeschirr von früher hatten sie noch, den Drucktisch und die Modeln auch, da griff der Bohr-Großvater ihnen mit einem Teile des Erlöses unter die Arme, und es wurde wieder gefärbt und gedruckt.
Hiezu wurde eine passende Wohnung genommen, wo in einer Küche die „Färberei“ eingerichtet wurde; aber die Arbeit war zu wenig. Da entschloß sich die Mutter, um Arbeit fortzugehen. Sie nahm ein Einbindtuch, darin sie ein Druckmusterbuch und einige gefärbte und gedruckte alte Kleider einband und ging in Gottes Namen in den nächsten Ort Preßbaum. Hier fing sie gleich im ersten Bauernhaus an, ihre Schätze auszukramen und zu fragen, ob sie nichts zu färben und zu drucken hätten. Sie hatte Glück, den Leuten gefielen die Muster und das Benehmen meiner Mutter. Sie vertrauten ihr, obwohl sie sie nicht kannten und gaben einige alte Kleider mit. So ging sie von Haus zu Haus und brachte eine Menge Arbeit zusammen, womit sie sich auf den Heimweg machte.
Jetzt war zu Hause große Freude ! Es wurde gleich vereint an die Arbeit gegangen, alles schnell und schön fertig gemacht und wieder geliefert. Hierbei bekam sie gleich wieder Arbeit und es ging so fort. Der Rudolf ging in seinen schulfreien Stunden in den Wald und las Holz. Die Resi führte die Wirtschaft, wenn die Mutter einige Tage fort war, und mußte die Kinder und auch die Geschäftsarbeit besorgen, was sie auch mit besten Kräften tat.
Der Vater konnte jedoch trotz fleißigster Arbeit nicht nachkommen, deshalb entschlossen sich meine Eltern, mich wieder nach Hause zu nehmen. Aber mein Herr wollte hievon nichts wissen und mich nicht fortlassen. Da ich aber sah, daß ich zu Hause notwendig bin und meine Eltern nicht mit den kleinen Geschwistern stecken lassen konnte, so blieb ich, trotzdem es mir sehr gut ging und er mir große Versprechungen machte, nicht. Ich packte Sonntag mein Bündel und wanderte ohne meinem Herrn etwas zu sagen nach Purkersdorf. Die Fanni war auch schon früher von der Großmutter weg nach Hause gekommen. Jetzt waren wir wieder alle beisammen.
Nun wurde wieder fleißig gefärbt, gedruckt und geliefert es reichte aber nicht, um den wohl ganz anspruchslosen Haushalt bestreiten zu können. Zum größten Unglück wurde ich krank. Es war im Winter und starker Schnee gefallen. Ein Sohn der Nachbarspartei in unserem Hause und ich führten den Schnee mit einem Schlitten aus dem Hofe. Hierbei zog ich mit ein Herzleiden zu. Der Doktor erklärte, ich dürfe gar nichts arbeiten. Ich konnte auch nicht. War es bis jetzt noch halbwegs gegangen, so war es nun ganz aus und unsere guten Eltern wußten sich nicht zu raten und zu helfen. Es konnte der Zins nicht mehr bezahlt werden, oft hatten wir zwei bis 3 Tage lang nur eine Wassersuppe und Brot. Die Mutter ging bei größtem Sturm und Schnee um Abeit fort. Wenn sie die paar Gulden heimbrachte, wußten sie nicht, sollen sie Farbzeug oder etwas zu essen kaufen. Da schaute es mit dem Essen schlecht aus. Unter Not und Elend verging der Winter. Anfang Frühjahr 1864 gingen Vater und Mutter nach Sieghartskirchen mit Ware liefern. Als sie nach Hause kamen, sagten sie, daß sie dort eine Wohnung in einem Meierhof genommen hätten und wir dort hinziehen werden. „Dich mein lieber Peppi,“ sagte mein Vater“ können wir nicht brauchen. Es werden Dich die Großeltern in Absdorf auf eine Zeit nehmen. “So kam ich nach Absdorf und meine Familie nach Sieghartskirchen. Das war mein Glück. Bei den Großeltern und der Klara Tante hatte ich goldene Zeiten. Die fütterten mich den ganzen Tag und der dortige Arzt, Herr Michael Reinberger (Gott vergelte ihm, was er an uns getan hat !), behandelte mich so ausgezeichnet, daß ich nach einem halben Jahr wieder so weit hergestellt war, daß ich leichtere Arbeiten verrichten konnte. Jetzt ging ich wieder nach Hause.
Gott hatte den Meinen geholfen. Sie hatten Arbeit und Verdienst, eine schöne Wohnung und Färberei. Jetzt wurde wieder weitergearbeitet. Statt der Mutter ging nun ich zu den auswärtigen Kunden und suchte mir immer wieder neue, weil die alten schon alle ausgefärbt waren, und da kam ich bis Manzing, Altlengbach auf der einen Seite, bis Kirchberg und Umgebung auf der anderen Seite; kurz, 5 Stunden im Umkreis von Sieghartskirchen kannte uns fast jedes Kind.
Nun fingen wir die Blaufärberei an. Eine Küppe wurde machen lassen, ich ging behufs Erlernung der Blaufärberei nach Stetteldorf zu dem dortigen Färber und jetzt konnten wir auch Stückware und Bauernleinwand färben. Bis jetzt wäre alles gut gewesen; meine Geschwister waren inzwischen größer geworden, die Resi und Fanni halfen schon tüchtig mit, einen Küchengarten hatten wir auch, wo wir uns alles Gemüse, das wir brauchten, selbst zogen. —– Da kam das Jahr 1866 und mit ihm der Krieg. Gleich zu Beginn entstand eine Teuerung der Lebensmittel, was für unsere große Familie umso schädlicher war, als nun auch weniger Verdienst war.
Ich muß jetzt um 1 Jahr zurückgreifen und erzählen, wie es meinen armen Großeltern in Absdorf ergangen ist. Nicht lange danach, als ich von ihnen nach Hause kam, wurde ihnen der einzige Schuldposten, den sie auf dem Hause hatten, gekündigt. Es waren damals für die Landwirte schlechte Zeiten. Alle Bodenprodukte so wertlos, daß die schönsten Wirtschaften und Bauernhäuser um ein Spottgeld verkauft wurden. Meine Großeltern und die Tante boten alles auf, um das Geld – sie brauchten 400 Gulden – leihweise zu erhalten. Umsonst. Es kam zur Exekution und dabei wurde das Haus und der Garten um 570 Gulden, sage: fünfhundertziebzig Gulden, verkauft, und der den Schuldschein eingeklagt hatte, erstand es. Von den Bewohnern Absdorfs war nicht einer dabei. Der neue Eigentümer – ein Geldmakler in Wien – ließ sie im Hause wohnen. Jetzt hatten sie nichts als ihre Einrichtung und sonstige Fahrnisse. Geld erhielten sie keines heraus, weil alles auf Kosten aufging. Die Klara Tante betrieb die Modisterei und Näherei und mußte hievon die zwei alten Leute erhalten, denn sie konnten nicht mehr so viel wie früher arbeiten. Am 10 Feber 1867 starb der Großvater im Alter von 79 Jahren und nicht lange danach verkaufte der Hausherr das Haus an einen Absdorfer. Großmutter und Klara Tante mußten ausziehen und bezogen eine Wohnung in Ober-Absdorf.
Ich gehe nun wieder nach Sieghartskirchen zurück. Der Krieg hatte zur Folge, daß das Geschäft schlechter ging. Ich ging wohl in meinen Rayon um Arbeit, die Leute waren aber zu nichts aufgelegt, insbesonders als eine schlechte Kunde nach der anderen vom böhmischen Kriegsschauplatz kam. Schließlich kam der 3. Juli und damit die unglückliche Schlacht bei Chlum (Königgrätz). Das österreichische Militär retirierte und in acht Tagen danach waren bei uns in Sieghartskirchen über 6.000 Mann aller Branchen, die versprengt waren und sich hier sammelten. Sie hatten in dem Tale ein Lager aufgeschlagen, das sich von Sieghartskirchen nach Ried zieht, und fingen an, sich zu verschanzen. Die Einwohner mußten Erde ausheben und bei dem Schanzenbau helfen. Ich war auch 5 Tage dabei.
Im Meierhofe, in dem ein großer Stall und Scheuer und Schuppen waren, wurden 120 Pferde und 60 Mann einquartiert. Am 2. Tage Ihres Hierseins war bereits unser ohnehin nicht großer Holzvorrat weg. Von Arbeit und Geschäft war keine Rede mehr. Das Stück Leinwand oder Stoff, das im Hofe war, wurde gestohlen. Wir übernahmen nun die Soldatenwäsche zum Waschen und erhielten in der Woche 500 – 600 Paar Wäsche (Hose und Hemd), das Paar zu 6 Kreuzer. Jetzt drehten wir den Spieß um und nahmen das Holz, das die Soldaten zum Kochen ausfaßten, zum Kesselheizen. Auch eine kleine Schnapsbudik hatten wir angefangen. Da zahlten wir aber drauf. Die Leute waren so undiszipliniert, soffen den Schnaps aus, zahlten nichts und machten noch Krawall. Im übrigen brachten wir uns durch. Von den Soldaten erhielten wir Kaffee, Fleisch, Wein, das sie alles ausfaßten, und so ging es, bis wieder ruhigere Zeiten eintraten. Als die rauhere Jahreszeit kam und der Friede geschlossen war, zog das Militär wieder ab und wir waren wieder allein. Das Geschäft mußte fast neu angefangen werden. In Gottes Namen fingen wir halt wieder an. Ich packte wieder meinen Binkel und ging um Arbeit fort, erhielt auch wieder welche und so ging´s nicht glänzend, aber doch. Im Jahre 1867 bezogen wir im Herbst eine andere Wohnung im Orte und richteten uns auch nett ein. Die Resi und Fanni, meine zwei Schwestern, waren nun auch schon herangewachsen, meine Brüder gingen in die Schule, wir hatten uns alle recht lieb und verlebten trotz vieler Sorgen doch untereinand recht frohe Stunden.
So kam das Jahr 1869. Im Juni dieses Jahres kam die Mutter einmal nach Wien und besuchte eine alte Kundschaft, die Prohaskaleute. Sie ward dort gut aufgenommen und im Laufe des Gespräches klamen sie auch auf mich zu sprechen. Die Frau Prohaska sagte zur Mutter, meine Eltern sollen mir das Geschäft übergeben, sie habe eine Schwester, Juliana Gotsch, die sehr brav ist, auch einige hundert Gulden besitzt, die solle ich heiraten. Als die Mutter heimkam, besprach sie sich mit dem Vater und rückte endlich mit dem Vorschlage an mich heran, ich solle heiraten, das Geschäft übernehmen, der Vater bliebe einstweilen bei mir, sie und die Mädchen gehen nach Heiligen-eich, wo wir früher eine Färberei-Übernahme hatten, und werden sich hiemit und mit Näharbeiten durchbringen. Für das Geschäft solle ich ihnen 200 Gulden geben und zwar so, daß ich die Schulden übernehme und den Rest hinauszahle.
Ich wollte anfangs nicht. Nun sagten sie: Hinfahren und dir das Mädchen anschauen kannst du doch. Es ist ja eine anständige Familie.“ So fuhr ich am 28. Juni – es war gerade Sonntag – nach Wien und stattete meinen Besuch ab. Ich ward sehr gut aufgenommen. Die angehende Braut war wohl etwas schüchtern. Ich sagte kein Wort von einer Werbung, es wurde nur ausgemacht, daß am anderen Tag – es war Feiertag Peter und Pauli – per Fiaker nach Sieghartskirchen gefahren wird, um sich die Gegend anzusehen. So geschah es. Die Prohaska, ihre Schwester und ich fuhren hinauf. Bei uns große Inspizierung. Wir zwei wurden gar nicht gefragt, sondern gleich verlobt. Mir haben die Ohren gebrummt, und ich glaube, ihr auch.
In 6 Wochen waren wir verheiratet. Gott sei Dank hat es geglückt. Ich habe ein gottensfürchtiges und braves Weib bekommen, und wir lernten uns aufrichtig lieben. Daß nicht alles gleich am Schnürl geht, ist natürlich. Auf der einen Seite hatte ich eine Art Schwiegermutter in Gestalt ihrer älteren Schwester Prohaska, die sie manchmal gegen meine Mutter aufhußte, Nun, solche Sachen sollen anderswo auch vorkommen, wie man hört. Wir haben doch friedlich gelebt und die Wolken sind nicht allzu lange am ehelichen Himmel stehen geblieben.
Hiermit enden die Aufzeichungen in kurrenter Schrift des Josef Andreas Frank, geboren am 20. April 1846 in Unterabsdorf, gestorben 17.Februar 1918 in Tulln; Sohn des Andreas Frank, geboren am 16. November 1818 in Wien-Gumpendorf, gestorben am 10. März 1879 in Tulln); Enkel des Bartholomäus Frank, geboren am 22.Mai 1788 in Cloz, Trentino, gestorben am 6. Dezember 1850 in Wien.
(In lateinische Schrift 1934 übertragen von Anton Matyas, geboren 1902, einem Enkel)
Aufzeichnungen von Josef I. Andreas Frank
Stichwörter: Josef I. Andreas Frank (*1846), Vielmi Linie
geb. 20.4.1846 in Wien
Geschrieben 1896
Mein Vater, Andreas Frank, war bürgerlicher Seidenfärber in Wien, was auch dessen Vater, Bartholomäus, mein Großvater, war. Letzterer war ungefähr im Jahre 1808 oder 1810 von Clesc (corr: Cloz !) in Welschtirol als Seidenfärbergeselle nach Wien gekommen und hatte durch Fleiß und Umsicht zu einem für damalige Zeiten ganz ansehnlichen Geschäfte gebracht. Er besaß das Haus Nr. 92 in der damaligen unteren Annagasse in Gumpendorf, heute Mollardgasse, Mariahilf.
Seine Frau Theresia, eine Wienerin, geborene Heinz, stand ihm würdig zur Seite. Sie hatten 23 Kinder, wovon mein Vater der zweitgeborene Sohn war. Sein älterer Bruder ist vor meines Vaters Geburt gestorben. Die Familie Bartholomäus Frank war am ganzen Grund geachtet und beliebt wegen ihres Kindersinnes und ihres mustergültigen Lebenswandels.
Meine Mutter war eine Kleinhäuslertochter von Absdorf, eine geborene Bohr (Anm.Pohr), ihre Eltern waren fromme, fleißige Hauers- und Ackersleute. Sie hatten einige Äcker und Weingärten, die sie musterhaft bewirtschafteten. Meine Mutter hatte noch einen Bruder Mathias und eine Schwester Klara, die beide jünger waren als sie.
Der Bruder diente beinahe 14 Jahre bei den Deutschmeistern und machte 1848/49 die Revolution in Ungarn mit. Er war Tambour bei der Musik. Als er vom Militär wieder heimkam, betrieb er sein gelerntes Gewerbe, die Schalweberei, welche damals in Flor war (1853), später heiratete er, bekam aber bald ein Herzleiden und starb ohne Kinder.
Er war ein aufgeweckter, lustiger Mann, nur mir ging er ein bißchen im Wege um, weil er uns Buben zu viel nachsah, wenn wir Allotria trieben. Ich hatte ihn aber doch recht gern. Er ruhe sanft.
Die Schwester erlernte von meiner Mutter die Näherei und Modisterei, welche sie durch 4 Jahre im Hause ihres Vaters betrieben hatte und betrieb das Geschäftchen weiter.
Ich hatte das Glück, alle meine Großeltern persönlich gekannt zu haben und kann mich heute (1896) noch ganz gut an meinen Wiener Großvater erinnern, obwohl ich erst 4 Jahre alt war, als er starb.
Im Jahre 1950 starb unser Frank-Großvater und nach seinem Tode führte mein Vater das Geschäft einige Jahre auf Rechnung seiner Mutter fort. Da jedoch meine Geschwister, besonders der Mann meiner Schwester Maria, ein Seidenzeugfabrikant namens Jakob dalla Bonna auf Auszahlung des Erbteiles nach ihrem Vater drangen, so wurde das Haus samt Geschäft an einen gewissen Josef Besel um 20.000 fl verkauft und unser Vater, welcher schon früher, als sein Vater noch lebte, bürgerlicher Seidenfärbermeister war und wegen Nichtausübung die kleinste Steuer zahlte, machte sich selbständig. Was er an Einrichtung brauchte, fand sich aus der überzähligen Einrichtung des väterlichen Geschäftes, denn da waren kupferne Kessel, Wannen, Eimer etc, in großer Menge, die er seiner Mutter abkaufte.
Meine Eltern mieteten eine Wohnung am Hundsthurm, Amtshaus Nr.137, wo sie sich einrichteten und das Geschäft betrieben. Das hiezu nötige Geld hatten sie aus den Ersparnissen des Vaters und dessen Erbteil von seinem Vater. Sie hatten die alten Kunden. Einige Arbeiter nahmen sie auch noch mit über, darunter einen gewissen Johann, seinen Familiennamen weiß ich nicht, welcher über 20 Jahre im Hause war, und den Thomas-Vetter, welcher Großvaters Bruder und seit 1830 im Hause war.
Ich war damals sieben Jahre alt und ging nach Gumpendorf in die dortige Pfarrschule, wo der Sohn des Lehrers meines Vaters mein Lehrer war. Er hieß Franz Finkes und war ein braver Mann. Ihm und meinem Hauslehrer Franz Kresse verdanke ich viel. Ehre seinem Andenken !
Im Alter von 3 Jahren ging ich eine Zeitlang in eine Spielschule in Margarethen. Da fiel ich einmal mit dem Hinterkopf auf einen Stein und bekam eine böse Gehirnkrankheit, die Gehirnhöhlenwassersucht. Da standen meine Eltern viel aus mit mir. Die Doktoren Born und Fuchs sagten: „Sind Sie froh, wenn er Ihnen stirbt. Ich (Dr.Born) habe nur zwei mit dieser Krankheit aufgebracht, aber der eine ist blöde, der andere lahm, es bleibt jedem was.“ Der Hausarzt, Herr Dr. Weckar sagte „Solange Leib und Selle beisammen sind, darf man nicht verzagen.“, und nahm mich energisch in die Kur, und Gottlob, ich wurde ganz gesund. Ich war jedoch eine Zeit nach überstandener Krankheit noch taub und stumm und konnte nicht gehen, was erst allmählich sich wieder verlor.
Im Jahre 1850 bekam ich ein Schwesterlein, die Reserl, das ich gleich außerordentlich liebte und das mir innig zugeneigt war. Wir waren später unzertrennliche Spielgenossen. Sie trieb ihre Anhänglichkeit an mich so weit, daß sie sich lieber für mich strafen ließ, als daß sie mich verraten hätte, wenn ich etwas angestellt hatte, obwohl ich sie manchmal auch prügelte, wenn wir in Streit gerieten, was doch auch vorkam.
Unsere schönste Zeit waren die Ferien im Herbst, wo wir meistens zu den Großeltern nach Absdorf durften. Das war eine lustige, selige Zeit ! Großvater und Großmutter waren so lieb, Großmutter kochte so gut ! Wie schmeckten da die schwarzen Vorschußknödel, das Sauerkraut, der Sterz von Buttermilch, alles auf dem offenen Herdfeuer bereitet !
Die Klara-Tante kümmerte sich auch um unser Wohl, aber auch darum, daß wir in unserem Übermut nicht das ganze Haus auf den Kopf stellten, und so verging uns die Zeit vielzu schnell, bis wir wieder nach Hause mußten. Mit der Zeit wurden uns mehr Geschwister. Einige starben, aber die Fanny, der Rudolf und Andreas blieben bei uns.
Obwohl ich ein schlimmer Junge war und meinen Eltern durch meine Streiche of viel Kummer und Verdruß bereitete, der Hauslehrer könnte auch viel davon erzählen, lernte ich in der Schule doch sehr gut, sodaß ich, noch nicht ganz zehn Jahre alt, schon aus der damaligen Normalschule mit Vorzugszeugnis entlassen und in die Gumpendorfer Unterrealschule aufgenommen wurde. Da ging es auch ganz gut; im zweiten Jahrgang jedoch wurde ich kränklich, bekam schließlich gar eine längere Krankheit, mußte viele Stunden versäumen und konnte daher nicht mehr nachkommen.
Mittlerweile hatte sich in unserem Hause allerlei zugetragen, was die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse unserer Eltern veränderte. Unsere Großmutter in Wien hatte in ihrer Vertrauensseligkeit ihr ganzes Vermögen samt dem der übrigen Geschwister meines Vaters ihrem Schwiegersohn Dallabona geliehen. Die führten ein großes Haus. Die Großmutter war bei ihnen. Nach und nach ging ihnen aber der Faden aus, und schließlich kam es zum Zusammenbruch. Unser leichtsinniger Herr Onkel hatt nicht nur sein, sondern auch das Vermögen seiner Schwiegermutter und deren Kinder vergeudet, und meinen Vater auch mit einer beträchtlichen Summe, die er ihm geschäftlich schuldete, ins Mitleiden gebracht.
Die Großmutter kam nun zu uns, wo sie mit Onkel Johann, Karl und der Lisi-Tante eine Wohnung im Hause hatte. Die Lisi-Tante, die geistig nicht normal war, kam durch Verwendung eines Freundes in die Versorgung, wo sie auch starb. Um diese Zeit war es auch, da unsere gute Mutter die Blattern bekam. Lange Zeit schwebte sie zwischen Leben und Tod. Im Jahre 1854, als in Wien die Cholera so stark auftrat, bekamen die Eltern sie gleichzeitig an einem Tage, wurden jedoch durch Dr. Baßler, den damals berühmten Choleraarzt gerettet.
Kaum war die Blatternkrankheit überstanden, fallierten zwei größere Fabrikanten, wobei unser Vater viel Geld verlor. Durch den Einfluß der neuen Handels- und Zollverträge gestalteten sich die Verhältnisse der Seidenmanufaktur immer schwieriger und es kam eine förmliche Krisis über dieses und die damit zusammenhängenden Gewerbe. Es hätte nun, um sich zu retten und zu erhalten, eines energischen und fest auftretenden Charakters bedurft. Leider hatte unser guter, braver, lieber Vater diesen nicht. Er hatte von seinen Eltern nur arbeiten gelernt, er hatte auch tüchtige Schulbildung und war sehr verständig, aber nicht selbständig, nicht fähig, jemanden etwas abzuschlagen oder eine Sache energisch durchzuführen. Er fühlte sich stets gegen andere so gewissermaßen minderwertig. So kam es, daß trotz der besten Arbeiten die Kunden durch andere maulreißende Konkurrenz weggeschnappt wurden, und das Geschäft immer schlechter ging.
Es wurden nun die Schönfärberei und Öldruckerei eingerichtet und betrieben. Ich blieb von der Schule zu Hause und half im Geschäfte fleißig mit. Wir arbeiteten und arbeiteten – und konnten uns nicht erhalten. Nun siedelten wir, um Zins zu ersparen und wegen des besseren Postens auf die Wieden, Kl. Neugasse zum Weißen Berg, über. In der Stadt hatten wir im „Bazar“ ein Geschäftslokal, wir strengten uns an, was wir konnten, es ging ein wenig vorwärts, da – eines Tages – erhielten wir vom Hausherrn die Kündigung. Hier bekamen wir am 15.4.1860 auch noch einen Bruder, den Mathias, und zwar gerade an dem Tage, an dem ich aufgedungen wurde. Ein Jahr vorher, 18.9.1859, war unser Onkel Mathias gestorben, dessen Frau im Stadtgeschäft war.
Nun mußten wir wieder ausziehen, konnten jedoch keine Wohnung finden, wo wir zugleich die Werkstätte im Hause haben konnten, denn einen Färber hat niemand gern. So siedelten wir denn in die Josefigasse über. Das Geschäft ging nicht wie früher. Die Färberei war in Fünfhaus, ich druckte zu Hause. Gearbeitet wurde von uns allen bis zur Grenze des Möglichen, es ging nicht. Die Tante im Stadtgeschäft sah auf sich und hatte mehr Nutzen vom Geschäft als wir. Als meine Eltern daraufkamen, konnten sie sie nicht entlassen, weil sie es mit dem Hausmeister ausgekartet hatte, daß wir in diesem Falle die Aufsage erhielten. Blieb nichts übrig, als ihr das Geschäft zu verkaufen. Sie kaufte es und in kurzer Zeit hatte sie einen anderen Färber, Putzer usw.
In der neuen Wohnung wurde unser jüngster Bruder Hiasl recht krank. Ich und die Mutter standen bei seinem Bettchen, er war beinahe ein Jahr alt, und sahen ihm sterben zu, und die Mutter ging in die Küche, machte Wasser warm, um ihn zu waschen. Als sie wieder zu ihm kam, war der Vater da und betrachtete ihn und sagte: „ Warte, vielleicht wird er wieder lebendig! Mir scheint, ein bißchen rührt er sich schon.“ Und richtig wurde er wieder lebendig, er kam wieder zu sich und wurde von diesem Augenblick besser und später ganz gesund.
Mittlerweile hatte Onkel Karl eine Fiakertochter – Therese Walz – geheiratet, und die Großmutter und Onkel Jean waren aus dem Hause gezogen.
Aber unseres Bleibens war nicht hier. Wir fanden wieder eine Wohnung in der Kl. Neugasse, weiter oben, wo wir die Färberei im Hause haben konnten, und zogen hin. Der Posten war jedoch nicht gut. Ich bekam den Typhus, war ¾ Jahr arbeitsunfähig, meine Geschwister Resi, Rudolf, Andreas, Mathias alle klein, es waren traurige Zeiten.
Da wurde das Haus verkauft, der neue Hausherr, ein Gelbgießer, baute. Vor unserem Geschäft standen ½ Jahr lang Gerüste und Ziegelhaufen. Es konnte niemand hinein. Schließlich konnte der Zins nicht mehr aufgebracht werden. Da führte der Vater und ich einen Teil der Einrichtung fort und verkauften sie, um Geld für den Zins zu erhalten. Dennoch kam die Kündigung. Das Geschäft lag ganz darnieder, ich hatte nichts mehr zu tun. So faßte ich den Entschluß, vom Geschäft wegzugehen. Ich ging zu dem Gelbgießer in die Lehre. Das war im Jahre 1862 zu Osteren. Meine Eltern zogen in eine Wohnung – Wieden Josefigasse – um den Zins zahlen zu können, mußten wieder Betten, Einrichtungsstücke usw. Verkauft werden. Aber wovon mit den fünf Kindern leben ?
Das Geschäft war so viel wie nichts, der Vater suchte Arbeit und fand keine, die Kinder baten um Brot, es war keines da. Keine Aussicht zum Besserwerden, es war eine schreckliche Lage. Ich war noch zu jung, konnte nicht helfen und weinte oft halbe Näüchte lang, wenn meine Lehrkameraden schliefen. Meine Eltern sahen ein, daß sie auch hier nicht bleiben konnten und entschlossen sich, auf einem anderen Grund eine Wohnung zu nehmen, wo ein besserer Posten ist.
Zu diesem Zweck ging meine Mutter einmal in die Leopoldstadt. Sie fand aber trotz eifrigsten Suchens nichts und machte sich ganz niedergeschlagen und betrübt auf den Heimweg. Auf dem Stefansplatze gelangt, ging sie in die Kirche, kniete sich bei der sogenannten Dienstboten-Muttergottes hin und betete inbrünstig, sie möge ihr beistehen in ihrem Elend und einen Weg zeigen, wo sie mit ihren Kindern doch Brot verdienen könne, und wenn es tief im Walde wäre. Da – als sie so betete – wurde sie beruhigt und hatte das Gefühl, als ob ihr geholfen würde, und ging in Gottes Namen nach Hause. Sie sagte dem Vater, der gerade druckte, daß ihr Gang erfolgreich gewesen sei, und wollte sich gerade umkleiden, als eine bekannte Frau eintrat. Des war die Frau eines früheren Färbermeisters in Wien mit Namen Wilhelm Ochs. Sie hatte jetzt in Purkersdorf in Wien ein kleines Kurzwarengeschäft, das ihnen seine Eltern, Kurzwarengrossisten in Margarethen, Wien, eingerichtet hatten. Sie waren uns schon längere Zeit einen Betrag für gelieferte Färbereien schuldig.
Nach gegenseitiger Begrüßung machte sie im Namen ihres Mannes meinen Eltern den Vorschlag, mit Geschäften zu tauschen, wobei gleich ihr schuldiger Betrag getilgt würde. Noch am gleichen Tage fuhren meine Eltern mit ihr nach Purkersdorf und der Handel wurde geschlossen. Herrn Ochs war weniger um das Geschäft als darum zu tun, schnell eine Wohnung in der Nähe seiner Eltern zu bekommen. Noch am Samstag derselben Woche zogen meine Eltern in Gotte Namen hinaus. Sonntag war Umgang. Es war das zu Fronleichnam 1862. Meine Geschwister waren damals alt: Theresia 12 J., Franziska 9 Jahre, Rudolf 7 Jahre, Andreas 4 Jahre und Mathias 2 Jahre. Ich war damals 16 Jahre alt und war in Wien in meiner Lehre bei Herrn Forst geblieben, wo es mir gut ging. Die Familie hatte die Großmutter, die in der Mollardgasse eine Wohnung hatte, zu sich genommen.
Obwohl das eingetauschte Kurzwarengeschäft auch nicht viel wert war, so genügte es dennoch, um von dem vorhandenen Warenvorrat eine Zeitlang leben zu können und hie und da einiges nachzuschaffen. Aber für die Dauer konnte es nicht so fort gehen, und es mußte eine bessere Erwerbsquelle umgesehen werden. Was fiel meinen Eltern anderes ein, als wieder zu dieser früheren Färberei zurückzugreifen ? Einiges Holzgeschirr von früher hatten sie noch, den Drucktisch und die Modeln auch, da griff der Bohr-Großvater ihnen mit einem Teile des Erlöses unter die Arme, und es wurde wieder gefärbt und gedruckt.
Hiezu wurde eine passende Wohnung genommen, wo in einer Küche die „Färberei“ eingerichtet wurde; aber die Arbeit war zu wenig. Da entschloß sich die Mutter, um Arbeit fortzugehen. Sie nahm ein Einbindtuch, darin sie ein Druckmusterbuch und einige gefärbte und gedruckte alte Kleider einband und ging in Gottes Namen in den nächsten Ort Preßbaum. Hier fing sie gleich im ersten Bauernhaus an, ihre Schätze auszukramen und zu fragen, ob sie nichts zu färben und zu drucken hätten. Sie hatte Glück, den Leuten gefielen die Muster und das Benehmen meiner Mutter. Sie vertrauten ihr, obwohl sie sie nicht kannten und gaben einige alte Kleider mit. So ging sie von Haus zu Haus und brachte eine Menge Arbeit zusammen, womit sie sich auf den Heimweg machte.
Jetzt war zu Hause große Freude ! Es wurde gleich vereint an die Arbeit gegangen, alles schnell und schön fertig gemacht und wieder geliefert. Hierbei bekam sie gleich wieder Arbeit und es ging so fort. Der Rudolf ging in seinen schulfreien Stunden in den Wald und las Holz. Die Resi führte die Wirtschaft, wenn die Mutter einige Tage fort war, und mußte die Kinder und auch die Geschäftsarbeit besorgen, was sie auch mit besten Kräften tat.
Der Vater konnte jedoch trotz fleißigster Arbeit nicht nachkommen, deshalb entschlossen sich meine Eltern, mich wieder nach Hause zu nehmen. Aber mein Herr wollte hievon nichts wissen und mich nicht fortlassen. Da ich aber sah, daß ich zu Hause notwendig bin und meine Eltern nicht mit den kleinen Geschwistern stecken lassen konnte, so blieb ich, trotzdem es mir sehr gut ging und er mir große Versprechungen machte, nicht. Ich packte Sonntag mein Bündel und wanderte ohne meinem Herrn etwas zu sagen nach Purkersdorf. Die Fanni war auch schon früher von der Großmutter weg nach Hause gekommen. Jetzt waren wir wieder alle beisammen.
Nun wurde wieder fleißig gefärbt, gedruckt und geliefert es reichte aber nicht, um den wohl ganz anspruchslosen Haushalt bestreiten zu können. Zum größten Unglück wurde ich krank. Es war im Winter und starker Schnee gefallen. Ein Sohn der Nachbarspartei in unserem Hause und ich führten den Schnee mit einem Schlitten aus dem Hofe. Hierbei zog ich mit ein Herzleiden zu. Der Doktor erklärte, ich dürfe gar nichts arbeiten. Ich konnte auch nicht. War es bis jetzt noch halbwegs gegangen, so war es nun ganz aus und unsere guten Eltern wußten sich nicht zu raten und zu helfen. Es konnte der Zins nicht mehr bezahlt werden, oft hatten wir zwei bis 3 Tage lang nur eine Wassersuppe und Brot. Die Mutter ging bei größtem Sturm und Schnee um Abeit fort. Wenn sie die paar Gulden heimbrachte, wußten sie nicht, sollen sie Farbzeug oder etwas zu essen kaufen. Da schaute es mit dem Essen schlecht aus. Unter Not und Elend verging der Winter. Anfang Frühjahr 1864 gingen Vater und Mutter nach Sieghartskirchen mit Ware liefern. Als sie nach Hause kamen, sagten sie, daß sie dort eine Wohnung in einem Meierhof genommen hätten und wir dort hinziehen werden. „Dich mein lieber Peppi,“ sagte mein Vater“ können wir nicht brauchen. Es werden Dich die Großeltern in Absdorf auf eine Zeit nehmen. “So kam ich nach Absdorf und meine Familie nach Sieghartskirchen. Das war mein Glück. Bei den Großeltern und der Klara Tante hatte ich goldene Zeiten. Die fütterten mich den ganzen Tag und der dortige Arzt, Herr Michael Reinberger (Gott vergelte ihm, was er an uns getan hat !), behandelte mich so ausgezeichnet, daß ich nach einem halben Jahr wieder so weit hergestellt war, daß ich leichtere Arbeiten verrichten konnte. Jetzt ging ich wieder nach Hause.
Gott hatte den Meinen geholfen. Sie hatten Arbeit und Verdienst, eine schöne Wohnung und Färberei. Jetzt wurde wieder weitergearbeitet. Statt der Mutter ging nun ich zu den auswärtigen Kunden und suchte mir immer wieder neue, weil die alten schon alle ausgefärbt waren, und da kam ich bis Manzing, Altlengbach auf der einen Seite, bis Kirchberg und Umgebung auf der anderen Seite; kurz, 5 Stunden im Umkreis von Sieghartskirchen kannte uns fast jedes Kind.
Nun fingen wir die Blaufärberei an. Eine Küppe wurde machen lassen, ich ging behufs Erlernung der Blaufärberei nach Stetteldorf zu dem dortigen Färber und jetzt konnten wir auch Stückware und Bauernleinwand färben. Bis jetzt wäre alles gut gewesen; meine Geschwister waren inzwischen größer geworden, die Resi und Fanni halfen schon tüchtig mit, einen Küchengarten hatten wir auch, wo wir uns alles Gemüse, das wir brauchten, selbst zogen. —– Da kam das Jahr 1866 und mit ihm der Krieg. Gleich zu Beginn entstand eine Teuerung der Lebensmittel, was für unsere große Familie umso schädlicher war, als nun auch weniger Verdienst war.
Ich muß jetzt um 1 Jahr zurückgreifen und erzählen, wie es meinen armen Großeltern in Absdorf ergangen ist. Nicht lange danach, als ich von ihnen nach Hause kam, wurde ihnen der einzige Schuldposten, den sie auf dem Hause hatten, gekündigt. Es waren damals für die Landwirte schlechte Zeiten. Alle Bodenprodukte so wertlos, daß die schönsten Wirtschaften und Bauernhäuser um ein Spottgeld verkauft wurden. Meine Großeltern und die Tante boten alles auf, um das Geld – sie brauchten 400 Gulden – leihweise zu erhalten. Umsonst. Es kam zur Exekution und dabei wurde das Haus und der Garten um 570 Gulden, sage: fünfhundertziebzig Gulden, verkauft, und der den Schuldschein eingeklagt hatte, erstand es. Von den Bewohnern Absdorfs war nicht einer dabei. Der neue Eigentümer – ein Geldmakler in Wien – ließ sie im Hause wohnen. Jetzt hatten sie nichts als ihre Einrichtung und sonstige Fahrnisse. Geld erhielten sie keines heraus, weil alles auf Kosten aufging. Die Klara Tante betrieb die Modisterei und Näherei und mußte hievon die zwei alten Leute erhalten, denn sie konnten nicht mehr so viel wie früher arbeiten. Am 10 Feber 1867 starb der Großvater im Alter von 79 Jahren und nicht lange danach verkaufte der Hausherr das Haus an einen Absdorfer. Großmutter und Klara Tante mußten ausziehen und bezogen eine Wohnung in Ober-Absdorf.
Ich gehe nun wieder nach Sieghartskirchen zurück. Der Krieg hatte zur Folge, daß das Geschäft schlechter ging. Ich ging wohl in meinen Rayon um Arbeit, die Leute waren aber zu nichts aufgelegt, insbesonders als eine schlechte Kunde nach der anderen vom böhmischen Kriegsschauplatz kam. Schließlich kam der 3. Juli und damit die unglückliche Schlacht bei Chlum (Königgrätz). Das österreichische Militär retirierte und in acht Tagen danach waren bei uns in Sieghartskirchen über 6.000 Mann aller Branchen, die versprengt waren und sich hier sammelten. Sie hatten in dem Tale ein Lager aufgeschlagen, das sich von Sieghartskirchen nach Ried zieht, und fingen an, sich zu verschanzen. Die Einwohner mußten Erde ausheben und bei dem Schanzenbau helfen. Ich war auch 5 Tage dabei.
Im Meierhofe, in dem ein großer Stall und Scheuer und Schuppen waren, wurden 120 Pferde und 60 Mann einquartiert. Am 2. Tage Ihres Hierseins war bereits unser ohnehin nicht großer Holzvorrat weg. Von Arbeit und Geschäft war keine Rede mehr. Das Stück Leinwand oder Stoff, das im Hofe war, wurde gestohlen. Wir übernahmen nun die Soldatenwäsche zum Waschen und erhielten in der Woche 500 – 600 Paar Wäsche (Hose und Hemd), das Paar zu 6 Kreuzer. Jetzt drehten wir den Spieß um und nahmen das Holz, das die Soldaten zum Kochen ausfaßten, zum Kesselheizen. Auch eine kleine Schnapsbudik hatten wir angefangen. Da zahlten wir aber drauf. Die Leute waren so undiszipliniert, soffen den Schnaps aus, zahlten nichts und machten noch Krawall. Im übrigen brachten wir uns durch. Von den Soldaten erhielten wir Kaffee, Fleisch, Wein, das sie alles ausfaßten, und so ging es, bis wieder ruhigere Zeiten eintraten. Als die rauhere Jahreszeit kam und der Friede geschlossen war, zog das Militär wieder ab und wir waren wieder allein. Das Geschäft mußte fast neu angefangen werden. In Gottes Namen fingen wir halt wieder an. Ich packte wieder meinen Binkel und ging um Arbeit fort, erhielt auch wieder welche und so ging´s nicht glänzend, aber doch. Im Jahre 1867 bezogen wir im Herbst eine andere Wohnung im Orte und richteten uns auch nett ein. Die Resi und Fanni, meine zwei Schwestern, waren nun auch schon herangewachsen, meine Brüder gingen in die Schule, wir hatten uns alle recht lieb und verlebten trotz vieler Sorgen doch untereinand recht frohe Stunden.
So kam das Jahr 1869. Im Juni dieses Jahres kam die Mutter einmal nach Wien und besuchte eine alte Kundschaft, die Prohaskaleute. Sie ward dort gut aufgenommen und im Laufe des Gespräches klamen sie auch auf mich zu sprechen. Die Frau Prohaska sagte zur Mutter, meine Eltern sollen mir das Geschäft übergeben, sie habe eine Schwester, Juliana Gotsch, die sehr brav ist, auch einige hundert Gulden besitzt, die solle ich heiraten. Als die Mutter heimkam, besprach sie sich mit dem Vater und rückte endlich mit dem Vorschlage an mich heran, ich solle heiraten, das Geschäft übernehmen, der Vater bliebe einstweilen bei mir, sie und die Mädchen gehen nach Heiligen-eich, wo wir früher eine Färberei-Übernahme hatten, und werden sich hiemit und mit Näharbeiten durchbringen. Für das Geschäft solle ich ihnen 200 Gulden geben und zwar so, daß ich die Schulden übernehme und den Rest hinauszahle.
Ich wollte anfangs nicht. Nun sagten sie: Hinfahren und dir das Mädchen anschauen kannst du doch. Es ist ja eine anständige Familie.“ So fuhr ich am 28. Juni – es war gerade Sonntag – nach Wien und stattete meinen Besuch ab. Ich ward sehr gut aufgenommen. Die angehende Braut war wohl etwas schüchtern. Ich sagte kein Wort von einer Werbung, es wurde nur ausgemacht, daß am anderen Tag – es war Feiertag Peter und Pauli – per Fiaker nach Sieghartskirchen gefahren wird, um sich die Gegend anzusehen. So geschah es. Die Prohaska, ihre Schwester und ich fuhren hinauf. Bei uns große Inspizierung. Wir zwei wurden gar nicht gefragt, sondern gleich verlobt. Mir haben die Ohren gebrummt, und ich glaube, ihr auch.
In 6 Wochen waren wir verheiratet. Gott sei Dank hat es geglückt. Ich habe ein gottensfürchtiges und braves Weib bekommen, und wir lernten uns aufrichtig lieben. Daß nicht alles gleich am Schnürl geht, ist natürlich. Auf der einen Seite hatte ich eine Art Schwiegermutter in Gestalt ihrer älteren Schwester Prohaska, die sie manchmal gegen meine Mutter aufhußte, Nun, solche Sachen sollen anderswo auch vorkommen, wie man hört. Wir haben doch friedlich gelebt und die Wolken sind nicht allzu lange am ehelichen Himmel stehen geblieben.
Hiermit enden die Aufzeichungen in kurrenter Schrift des Josef Andreas Frank, geboren am 20. April 1846 in Unterabsdorf, gestorben 17.Februar 1918 in Tulln; Sohn des Andreas Frank, geboren am 16. November 1818 in Wien-Gumpendorf, gestorben am 10. März 1879 in Tulln); Enkel des Bartholomäus Frank, geboren am 22.Mai 1788 in Cloz, Trentino, gestorben am 6. Dezember 1850 in Wien.
(In lateinische Schrift 1934 übertragen von Anton Matyas, geboren 1902, einem Enkel)